Foto von Ebru Yılmaz
Für Marketing bleibt im Tagesgeschäft oft wenig Zeit, denn wir müssen uns um Aufträge, Kunden und Mitarbeitende kümmern . Wenn dann doch mal eine Website, eine Broschüre oder ein Social Media Post erstellt wird, sieht das Ergebnis häufig aus wie bei allen anderen. Es steht etwas über Qualität, Service und Erfahrung, vielleicht ein Bild vom Team und ein paar Standardformulierungen. Aber nichts, das wirklich hängenbleibt.
Genau hier liegt ein großes Problem. Austauschbare Kommunikation sorgt dafür, dass Unternehmen nicht auffallen. Und wer nicht auffällt, wird übersehen. Im schlimmsten Fall entscheidet dann nur noch der Preis. Für kleine Betriebe ist das besonders gefährlich, denn sie können selten mit den Budgets großer Konzerne mithalten. Sie brauchen ein klares Profil, das sofort zeigt, warum man sich für sie entscheiden sollte.
Warum Austauschbarkeit so gefährlich ist
Ein fiktives Beispiel macht es deutlich. Die Schreinerei „Holz & Herz“ aus einer Kleinstadt investiert in eine neue Website. Darauf steht, dass man seit über 30 Jahren für Qualität und Kundennähe steht und maßgeschneiderte Lösungen anbietet. Auf den ersten Blick klingt das gut. Auf den zweiten Blick merkt man: Das könnte genauso auch beim Wettbewerber stehen. Nichts hebt das Unternehmen wirklich ab.
Die Folge ist spürbar. Kunden vergleichen mehrere Anbieter und können keinen klaren Unterschied erkennen. Am Ende entscheidet der Preis. Die Schreinerei muss mehr Rabatte geben und hat trotzdem das Gefühl, dass ihre Arbeit nicht ausreichend wertgeschätzt wird.
Austauschbarkeit schwächt also nicht nur das Marketing, sondern auch die Verhandlungsposition im Vertrieb. Wer keinen erkennbaren Grund liefert, warum man genau ihn wählen sollte, wird zur beliebigen Option.
Was Differenzierung wirklich bedeutet
Viele Inhaberinnen und Inhaber glauben, dass ihre Einzigartigkeit doch offensichtlich sei. Sie verweisen auf Erfahrung, Qualität und Service. Doch genau diese Begriffe nutzen fast alle. Differenzierung bedeutet etwas anderes.
Sie entsteht, wenn ein Unternehmen klar benennt, welchen besonderen Wert es für seine Kunden schafft. Das kann eine spezielle Expertise sein, ein ungewöhnlicher Ansatz oder eine Haltung, die Vertrauen schafft. Wichtig ist, dass die Botschaft nicht nur nach innen logisch klingt, sondern auch nach außen verstanden wird.
Ein kleines Beratungsunternehmen hat diesen Schritt erfolgreich geschafft. Statt allgemein über „ganzheitliche Beratung“ zu sprechen, hat es sich auf die Begleitung von Familienbetrieben in der Nachfolge spezialisiert. Plötzlich war klar, wofür es steht. Inhaberinnen und Inhaber, die vor dieser Herausforderung standen, fühlten sich angesprochen. Die Beratungsfirma wurde nicht mehr als eine von vielen gesehen, sondern als die erste Adresse für ein spezielles Thema.
Die Folgen fehlender Differenzierung
Wenn die Kommunikation nicht unterscheidbar ist, passiert etwas Schleichendes. Zuerst fällt auf, dass immer mehr Interessenten nach Rabatten fragen. Dann wird der Vertrieb mühsamer, weil viel erklärt und argumentiert werden muss. Marketingaktionen verpuffen, weil sie keine klare Botschaft tragen. Und irgendwann entsteht das Gefühl, dass man trotz aller Mühe nicht richtig wahrgenommen wird.
Ein kleiner Online-Shop für regionale Produkte hat das erlebt. Er beschrieb sich als nachhaltig, kundenfreundlich und mit schneller Lieferung. Alles richtig, aber nichts Besonderes. Erst als er den Fokus auf „Lebensmittel direkt von Bauernhöfen aus der Region“ legte und Geschichten über die Produzenten erzählte, veränderte sich die Wahrnehmung. Plötzlich war er nicht mehr austauschbar, sondern klar positioniert.
Wie Differenzierung entsteht
Differenzierung bedeutet Entscheidungen treffen. Nicht alles für alle anbieten, sondern klar festlegen, wen man erreichen will und wofür man stehen möchte.
Ein Handwerksbetrieb, der Heizungen einbaut, könnte zum Beispiel sagen: „Wir sind die Spezialisten für energieeffiziente Lösungen im Altbau.“ Damit grenzt er sich von den Wettbewerbern ab, die einfach alles machen. Kunden mit älteren Häusern wissen sofort, dass sie hier an der richtigen Adresse sind.
Ein weiterer Schritt ist die Sprache. Wer in denselben Floskeln spricht wie die Konkurrenz, wirkt ebenfalls austauschbar. Statt von „maßgeschneiderten Komplettlösungen“ zu reden, kann man sagen: „Wir sorgen dafür, dass dein Dach dicht bleibt, egal wie stark es regnet.“ Das ist konkret, bildhaft und bleibt hängen.
Differenzierung entsteht auch durch Reduktion. Viele Unternehmen versuchen, möglichst viele Argumente zu liefern. Doch wirkungsvoller ist es, sich auf wenige, klare Botschaften zu konzentrieren. Diese bleiben im Kopf und schaffen Orientierung.
Sprache als Schlüssel
Sprache entscheidet, wie ein Unternehmen wahrgenommen wird. Zwei Betriebe können exakt dasselbe anbieten, doch der, der klarer und menschlicher formuliert, bleibt im Gedächtnis.
Das Beratungsunternehmen im Beispiel oben hat auf seiner Website nicht mehr von „ganzheitlichen Lösungen“ gesprochen, sondern erklärt, wie es Familien dabei unterstützt, einen Betrieb von der älteren an die jüngere Generation zu übergeben, ohne dass Streit entsteht. Das erzeugt sofort Bilder im Kopf und weckt Vertrauen.
Auch ein kleiner Online-Shop kann Sprache nutzen, um sich abzuheben. Statt zu schreiben „Wir bieten regionale Lebensmittel in hoher Qualität“, kann er formulieren „Bei uns bekommst du den Käse von der Hofkäserei aus dem Nachbardorf, frisch und direkt in deine Küche geliefert“. Diese Formulierung zeigt, was das Angebot besonders macht und macht es greifbar.
Praxisbeispiele
Ein besonders anschauliches Beispiel ist ein Handwerksbetrieb, der Schwierigkeiten hatte, neue Mitarbeitende zu gewinnen. In seinen Stellenanzeigen stand, dass er ein engagiertes Team und abwechslungsreiche Aufgaben bietet. Nichts davon war falsch, aber auch nicht besonders. Erst als er begann, zu beschreiben, dass die Azubis von Anfang an bei Kundenterminen dabei sind und schon früh Verantwortung übernehmen, änderte sich das Bild. Auf einmal kamen Bewerbungen von jungen Menschen, die Lust auf genau diese Erfahrung hatten.
Ein anderes Beispiel ist ein kleiner Online-Shop für nachhaltige Mode. Lange Zeit sprach er wie viele andere von fairer Produktion und hochwertiger Qualität. Erst als er begann, über die Designerinnen zu erzählen, die jedes Kleidungsstück selbst entwarfen, und die Kundinnen in den Entstehungsprozess mitnahm, wurde die Marke lebendig.
Auch eine Beratungsfirma konnte sich klarer differenzieren, als sie sich entschied, nicht mehr alle Branchen bedienen zu wollen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf kleine Handwerksbetriebe, die Hilfe bei der Digitalisierung brauchten. Die Folge war, dass sie in dieser Nische bekannt wurde und gezielt weiterempfohlen wurde.
Mut zur Kante
Viele Unternehmen trauen sich nicht, wirklich Position zu beziehen. Sie wollen niemanden ausschließen und formulieren deshalb möglichst allgemein. Doch genau das führt in die Austauschbarkeit.
Der Mut zur Kante bedeutet, klar zu sagen, wofür man steht und wofür nicht. Ein Malerbetrieb könnte sich entscheiden, nicht mehr alles anzubieten, sondern sich als Spezialist für hochwertige Fassadenrenovierungen zu positionieren. Manche Kunden, die nur eine kleine Innenwand streichen lassen wollen, springen dadurch vielleicht ab. Aber die, die genau diesen Schwerpunkt suchen, fühlen sich sicher und gut aufgehoben.
Klarheit schafft Vertrauen. Sie zeigt, dass ein Unternehmen weiß, was es kann und wofür es steht.
TL;DR | Differenzierung ist keine Kür, sondern überlebenswichtig
Wer wie alle klingt, bleibt unsichtbar. Kleine Unternehmen haben hier eine besondere Chance, denn sie sind oft näher an ihren Kunden und können authentischer kommunizieren als große Konzerne. Es geht nicht darum, lauter zu sein, sondern klarer. Nicht darum, alles anzubieten, sondern das Richtige. Sprache, Haltung und eine bewusste Entscheidung für ein Profil machen den Unterschied.
Die Schreinerei, die Beratungsfirma, der Online-Shop im Beispiel: sie alle haben gezeigt, dass Differenzierung kein theoretisches Konzept ist, sondern praktisch wirkt. Sie macht es leichter, Kunden zu gewinnen, Preise durchzusetzen und im Gedächtnis zu bleiben.
Wer also merkt, dass sein Marketing läuft, aber keine Wirkung zeigt, sollte nicht zuerst nach mehr Budget fragen. Die entscheidende Frage lautet: Was macht uns wirklich anders?