13. August 2025

Eitel Daniel

Weniger ist mehr: Marketing muss nicht alles gleichzeitig können

Foto von Etienne Girardet

Wer heute ein Unternehmen führt oder für Marketing verantwortlich ist, steht in einem Dauerregen aus neuen Möglichkeiten. Kaum hat man sich mit einem sozialen Netzwerk angefreundet, schwappt schon die nächste Plattform über den Tellerrand. Tools, Trends und vermeintliche Must-haves stapeln sich wie Prospekte auf einem übervollen Schreibtisch. Alles wirkt wichtig, alles schreit nach Aufmerksamkeit. Und irgendwo schleicht sich der Gedanke ein: Wenn wir nicht überall mitmischen, gehen wir unter.

Also wird ausprobiert. Es werden Kanäle gestartet, Budgets verteilt, Formate getestet. Das Ergebnis wirkt auf den ersten Blick aktiv, auf den zweiten oft unruhig. Denn statt klarer Linie herrscht Aktionismus. Sichtbar, ja … aber ohne erkennbaren Kern.

Das eigentliche Problem ist selten der Mangel an Möglichkeiten. Es ist der Mangel an Fokussierung. Erfolg im Marketing entsteht nicht durch die Anzahl der Maßnahmen, sondern durch ihre Passgenauigkeit. Wer glaubt, alles machen zu müssen, landet schnell in einem Strudel, der Energie zieht und Ergebnisse verwässert.

Der Irrtum, dass mehr auch besser sei

Die Versuchung ist groß. Instagram, weil es alle machen. Google Ads, weil es schnell geht. Ein Podcast, weil es modern klingt. TikTok, weil die Reichweiten dort explodieren. Jede einzelne Entscheidung ist nachvollziehbar. Zusammen genommen ergeben sie oft ein unübersichtliches Gebilde ohne strategischen Unterbau.

Der Haken: Nur weil eine Plattform populär ist, muss sie nicht zu deinem Unternehmen passen. Nur weil eine Maßnahme bei anderen funktioniert, liefert sie nicht automatisch für dich Ergebnisse. Ein B2B-Unternehmen, das hochspezialisierte Maschinen verkauft, hat wenig davon, wenn es zwischen Tanzvideos und Memes auf TikTok auftaucht. Dagegen kann ein gezielter LinkedIn-Auftritt kombiniert mit einem durchdachten Fach-Newsletter genau die Menschen erreichen, die später Kaufentscheidungen treffen.

Gutes Marketing entsteht nicht durch Masse, sondern durch Relevanz. Ein Unternehmen, das zwei Kanäle konsequent und hochwertig bespielt, kann erfolgreicher sein als eines, das zehn Kanäle oberflächlich betreibt.

Warum Fokus Wirkung entfaltet

Im Marketing gilt eine einfache Wahrheit: Man kann vieles machen, aber nicht alles gleichzeitig gut. Fokussierung ist keine Einschränkung, sondern eine Entscheidung für das Wesentliche. Sie heißt nicht, weniger ambitioniert zu sein. Sie heißt, Ressourcen gezielt einzusetzen.

Dabei hilft ein Blick auf das Pareto-Prinzip. Oft sorgen zwanzig Prozent der Maßnahmen für achtzig Prozent der Ergebnisse. Die Kunst besteht darin, diese zwanzig Prozent zu identifizieren und ihnen den Löwenanteil der Aufmerksamkeit zu schenken.

Ein kleines Beispiel aus der Praxis: Ein lokaler Handwerksbetrieb hatte jahrelang versucht, auf Facebook, Instagram, in Printanzeigen und auf Messen gleichzeitig präsent zu sein. Sichtbar war er überall, spürbare Erfolge blieben aus. Erst als das Unternehmen sich auf eine optimierte Website mit Google-Bewertungen und gezielte regionale Anzeigen konzentrierte, stieg die Zahl der Anfragen deutlich, bei weniger Aufwand.

Wie man die passenden Maßnahmen findet

Fokus beginnt mit Klarheit. Vor allem über die eigenen Ziele. Geht es darum, Reichweite zu erzielen, Leads zu generieren, Kunden zu binden oder eine Marke aufzubauen? Unterschiedliche Ziele erfordern unterschiedliche Wege.

Genauso wichtig ist die Frage, wer genau erreicht werden soll und wo diese Menschen tatsächlich unterwegs sind. Ein junges Modepublikum verbringt seine Zeit auf anderen Plattformen als B2B-Einkäufer. Wer lokal arbeitet, profitiert mehr von Google My Business und regionaler Presse als von einem internationalen YouTube-Kanal.

Der dritte Faktor sind die verfügbaren Ressourcen. Ein ambitionierter Contentplan bleibt Theorie, wenn Zeit, Budget oder Personal fehlen. Hier ist Ehrlichkeit entscheidend. Besser wenige Formate kontinuierlich und mit Qualität umsetzen, als viele Kanäle halbherzig bespielen.

Der Maßnahmenfilter: Werkzeug gegen das Verzetteln

Viele Unternehmen sammeln Marketingaktivitäten wie andere Andenken aus dem Urlaub. Ein Messeauftritt hier, ein Blog dort, ein Social-Media-Account, der zuletzt vor acht Monaten bespielt wurde. Das Problem ist nicht der gute Wille, sondern der fehlende Filter.

Ein klarer Bewertungsprozess hilft, Ballast loszuwerden. Jede Maßnahme sollte drei Kriterien erfüllen:

Erstens, sie muss nachweislich auf die Ziele einzahlen. Zweitens, der Aufwand muss in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehen. Drittens, sie sollte nachhaltig sein und idealerweise länger wirken als für den Moment der Veröffentlichung.

Wer diese Kriterien ehrlich prüft, erkennt schnell, welche Maßnahmen bleiben dürfen und welche Ressourcen nur binden, ohne Wirkung zu entfalten.

Eine unterschätzte Marketingstrategie

Es braucht Mut, Nein zu sagen. Denn die Angst, etwas zu verpassen, sitzt tief. Ein neuer Trend könnte doch der große Durchbruch sein. Eine neue Plattform könnte vielleicht genau die richtige sein. Doch ständiges Ja-Sagen führt dazu, dass nirgends genug Tiefe erreicht wird.

Erfolgreiche Unternehmen setzen Grenzen. Sie definieren, welche Zielgruppen und Kanäle zu ihnen passen und welche nicht. Sie wissen, dass Verzicht Freiraum schafft.

Ein B2B-SaaS-Anbieter, der auf Messen verzichtet, spart nicht nur Standkosten, sondern auch Wochen an Vorbereitung. Diese Zeit fließt in SEO, Webinare und LinkedIn, wodurch mehr qualifizierte Leads entstehen als zuvor.

Der Minimal-Marketing-Plan

Reduktion funktioniert nicht ohne Struktur. Ein klarer Plan ist wie ein Kompass, der den Kurs hält. Er beginnt mit maximal drei konkreten Zielen. Anschließend werden die drei bis fünf wirkungsvollsten Kanäle oder Formate festgelegt. Zuständigkeiten werden geklärt, und es entstehen feste Routinen.

Regelmäßigkeit schlägt Größe. Zwei LinkedIn-Beiträge pro Woche sind wertvoller als eine große Kampagne, die nach drei Monaten versandet. Ein monatlicher Blogartikel bringt langfristig mehr Sichtbarkeit als ein Feuerwerk an Inhalten, das danach im Archiv verstaubt.

Der Plan sollte feste Zeitpunkte für die Überprüfung enthalten. Was funktioniert, bleibt. Was nicht funktioniert, wird gestrichen oder angepasst.

TL;DR | Klasse statt Masse

Marketing ist kein Wettlauf um die meisten Kanäle oder die lautesten Botschaften. Es ist ein Spielfeld, das von Klarheit lebt. Weniger ist mehr bedeutet nicht, weniger zu investieren, sondern gezielter. Es bedeutet, Komplexität zu reduzieren, um Wirkung zu erhöhen.

Wer sich traut, Überflüssiges wegzulassen, steigert nicht nur Effizienz, sondern auch Glaubwürdigkeit. Kunden nehmen lieber eine klare, konsequente Präsenz wahr als ein Unternehmen, das überall ein bisschen, aber nirgends richtig präsent ist.

Der Weg zu gutem Marketing beginnt oft nicht mit dem Hinzufügen neuer Maßnahmen, sondern mit dem Mut, Ballast abzuwerfen.

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